Als wir meinen Vater im Krankenhaus auf der Intensivstation besuchten, lag neben ihm ein älterer Herr, der schwer mit sich kämpfte. Er stöhnte regelmäßig, und die Warnhinweise der Gerätschaften und an der Tür ließen darauf schließen, dass er sich in einem permanenten Warnzustand befand.

All die Tage über, die wir dort verbrachten, wachte eine ungefähr ebenso alte Frau an seinem Bett. Sie sprach ihm gut zu, hielt seine Hand, und auch wenn er gelegentlich wach war und zum wiederholten mal in großer Anstrengung sagte, dass er einfach nicht mehr könne, ließ sie sich nicht davon abbringen.

Nach und nach kamen wir mit ihr ins Gespräch und erfuhren, dass sie seine Frau sei, und sie schon seit fast sechzig Jahren miteinander verheiratet wären. Sie erzählte, dass ihr Mann zum zweiten Mal operiert wurde, und er aufgrund seines hohen Alters nun mit den Nachwirkungen der Narkose, die nicht nachlassen wollten, kämpfte. Die medizinischen Umstände waren ihr sehr wohl bewusst, aber dieser sture Bock würde sich auch unabhängig seiner Äußerungen nicht davon irritieren lassen. Dafür sei er zu stolz!

Sie erinnerte sich: Er hätte sich schon immer ein wenig in sein Zimmer zurückgezogen, wenn es ihm nicht so gut ging. Nun war sie aber schon ein wenig böse auf ihn, dass er erst seinem Arzt und danach ihr von seinen Herzproblemen erzählte, nachdem er die Treppen wochenlang nur noch unter Schmerzen steigen konnte. So sei er aber schon immer gewesen, „wie die Männer halt so sind“. Ein trauriges Lächeln bei beiden anwesenden Ehefrauen.

Sie erzählte dann auch, wie sie sich kennenlernten: „Mich interessierte nicht sein Geld – er hatte keines. Er konnte sich gerade ein Mofa leisten. Aber er war ein großer Tänzer, und er tanze mit mir durch die Nacht. Und er tanzte mit mir die Sorgen weg und schenkte mir immer ein Lächeln.“ Und sie wollte noch mal mit ihm tanzen.

Ich würde ihm wünschen, dass es ihm wieder besser geht. Meinen Vater sehe ich inzwischen mit anderen Augen – und habe etwas über unnötigen Stolz gelernt.

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