Als Teilnehmer des World Youth Meeting 1999 besuchten zwei Freunde und ich Nagoya und Tokyo als Repräsentanten für Deutschland. Zu den vielen einmaligen Erfahrungen, die wir machen durften, gehörte unter anderem die Unterbringung bei der Familie eines Zahnarztes.

An einem Abend zu Hause, nach dem Erleben einer Teezeromonie im alten Teehaus im Garten, und dem Scheitern bei den Partien Go gegen die Tochter, richtete die Frau des Zahnarztes eine Tafel an: ein Tepanyaki mit Fleisch vom Wagyu-Rind und Sushi vom Blauflossenthunfisch gehörten zur Auswahl. Auf der Mitte des Tisches standen einige Flaschen Wasser und diverse Säfte.

Sie bat ihre Tochter und uns zu Tisch, und sagte, dass wir einfach nehmen sollten was wir mögen. Wir waren von der Auswahl überwältigt, und griffen zuerst zu den Getränken, ließen uns das Essen erklären und bedienten uns daran. Dann unterhielten wir uns über unsere bisherigen Abenteuer.

Ein paar Minuten vergingen, und unser Gastgeber bat seine Frau um Bier, welches sie ihm aus der Küche holte. Die Tochter seufzte darauf „Papa! Denk an unsere Gäste.“ Er lachte, und wir schauten fragend, und so fragte er uns, ob wir denn schon mal Bier getrunken hätten.

Darauf grinsten wir, und erzählten, dass man in Deutschland nur 16 Jahre alt sein muss, um Bier trinken zu dürfen.

„Ist das so?“, fragte er. „Dann trinkt mit mir! Weib, bitte hole unseren Gästen ein Bier! Tochter, du nicht.“ Wir freuten uns, sie seufzte erneut: „Papa …“

Zwei, drei Bier später war unser Gastgeber schon in Redelaune. Seine Frau amüsierte sich, während es der Tochter immer peinlicher wurde. Er erzählte uns, dass er einen Teil seines Zahnmedizinstudiums in Heidelberg absolviert hatte.

Dabei schien er sich an etwas zu erinnern, aber überraschte uns mit der Frage, wie alt man denn in Deutschland sein müsse, um Sake zu trinken.

„18“, sagten wir.

„Ist das wirklich so?“, sagte er, und wir nickten. „Dann ist das so. Und wie alt seid ihr?“

„Alle 18“, sagten wir.

Er lachte. „Aber ihr habt doch noch gar keine Bärte! Und in Japan muss man 20 sein, um überhaupt trinken zu dürfen“, sagte er.

„Jetzt aber seid ihr bei mir zu Hause. Lasst uns Sake trinken.“ – „Bitte, Papa!“

Seine Frau schmunzelte, und bereitete uns Sake zu. Wenig später servierte sie uns das heiße Getränk in altem Porzellan. Mit uns trinken wollte sie nicht, und so stießen wir an und tranken ganz ohne Worte und mit viel Freude. Dann schenkte seine Frau erneut ein.

„In Heidelberg habe ich viele schöne Dinge gelernt“, sagte er. Die Tochter rollte ihre Augen.

„Zum Beispiel auf Deutsch bis 10 zählen. Mal sehen, ob ich das noch hinbekomme…“

Und dann zählte er.

„Darauf stoßen wir an!“ Und so war es, und wir tranken weiter.

„Und da war dieses deutsche Lied… Irgendetwas mit wandern.“

Das Wandern ist des Müllers Lust?“, fragte einer von uns. Und er stimmte an, und brachte uns den Text bei.

Die eine oder andere Geschichte folgte noch, und seine Frau lächelte, während die Tochter abwechselnd mit den Augen rollte oder den Kopf hinter ihren Händen versteckte.

Er wippte mit seinem Kopf und einem Lächeln im Gesicht in Richtung seiner Frau. Sie verstand, ging zu einem kleinen Schrank und öffnete ihn, und hielt zwei Flaschen in seine Richtung. Er grummelte, und zeigte auf eine der beiden Flaschen. Schließlich stellte sie sie auf den Tisch, und er fragte, ohne Interesse an einer Antwort zu haben, ob wir auch schon mal Sake getrunken hätten, den man kalt trinken müsse – während er uns, sich, und auch seiner Frau etwas einschenkte. Die Tochter durfte endlich flüchten.

Der nächste Morgen begann so früh wie der Abend davor lang wurde. Freundlich und bestimmt weckte uns die Dame des Hauses, und ermahnte uns des anstehenden Tages. Wir wollten uns lieber wie Wildschweine bei Tag zurück in die Dunkelheit verziehen.

Unser Gastgeber begrüßte uns in dem Augenblick mit dem sonnigsten Grinsen, und beglückte uns mit etwas anderem, dass er in Heidelberg lernte: „Wer lange feiert, kann auch früh aufstehen.“

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