Vom Wachstum und von Wachstum-Plateaus
2014.11.15Als ich für einen Risikokapitalgeber arbeitete, hatten wir einen einfachen Schlüsselindikator, wenn wir uns nach potenziellen Investments bei (Web-)Start-ups umsahen: Wenn sie mehr als 50.000 aktive Nutzer:innen hatten, dann war es das wert, einen genaueren Blick darauf zu werfen.1
Diese Websites waren schließlich groß genug, um eine Idee oder zwei von Wachstum und seinen Implikationen zu haben, von Finanzierung, von Community Management und mehr, und dennoch hatten die meisten ein „Wachstumsplateau“ erreicht. Die Gründer:innen und Betreiber:innen konnten von ihren Websites leben, allerdings wuchs ihre aktive Benutzerbasis aus diversen Gründen nicht mehr, und auf lange Sicht würden diese Websites dann nicht nur nicht mehr wachsen, sondern schließlich auseinander fallen und in Bedeutungslosigkeit verschwinden, oder von der Konkurrenz überholt werden, oder beides.
Falls sie den nächsten Schritt gehen wollten – bedeutenden Marktanteil erlangen, Vermögen erwirtschaften, Einfluss als Firma gewinnen und Reichtum als Personen anhäufen, dann müssten sie ihre aktive Nutzerbasis erweitern (einhergehend mit den Grundvoraussetzungen dafür, wie Angestellte und IT). An der Stelle würde das dann meist exponentiell passieren und die bestehenden Ressourcen schneller auffressen als sie finanziert werden könnten, sodass die Betreiber eine Art von Überbrückung benötigen würden. Und da setzten wir an.
Natürlich waren Websites wie diese leichte Ziele und schnell gemachtes Geld. Sie bedeuteten meist kein substanzielles finanzielles Risiko, da es recht einfach im Vorfeld zu bestimmen war, ob sie kurz davor waren das Plateau zu erreichen, gerade ankamen, oder bereits ihren Zenit überschritten hatten. Erstere versprachen eine solide Rendite, wenn wir ausstiegen.2
Die Risikokapital-Szene hat sich inzwischen verändert, die Art – und das Timing – von Investments haben sich geändert, und das erste Plateau zu erreichen, auch wenn es noch immer harte Arbeit ist, bedeutet weniger als zuvor, dass die Website mithilfe von außen zu einem langfristigen Erfolg wird. Nichtsdestotrotz: Das Plateau ist noch nicht verschwunden und ist eine Wirklichkeit für viele Websites und Unternehmen.
Dementsprechend hat mich die Metrik der 50.000 aktiven Nutzer:innen, oder eher ihre Implikation, noch immer im Bann. Ich habe das Plateau immer wieder gesehen und angetroffen, bei vielen Websites, Unternehmen, und sogar bei persönlichen Schicksalen mit ihrer kritischen aktiven Nutzerzahl, nur um sie ebenso gefangen zu sehen in einem Teufelskreis vom Erreichen und Herunterfallen dieses Plateaus, immer und immer wieder.
Wenn du dich in dieser Situation wie dieser – auf einem Plateau – wieder findest, wo es aussieht, als gäbe es eine solide Basis, als hättest du ein Ding am Laufen, und du dennoch nicht vorankommst, dann musst du dich fragen: Wie bist du überhaupt da gelandet? War es eine Idee, eine Erfindung, eine Innovation, ein neues Produkt? Oder war es eine Nische, die du besetzen konntest, die noch nicht so besetzt war, als du anfingst? War es ein Hobby, von dem du irgendwann leben konntest? Wohin willst du gehen, wo willst du sein?
Wenn du ein Produkt oder eine Innovation hast, dann hält dich meist das Tagesgeschäft davon ab, es weiterzuentwickeln oder neue Innovationen zu finden, und damit das Plateau zu verlassen. Wenn du in einer Nische bist, die du fandest, dann gibt es jetzt mehr Wettbewerb als zuvor, die einem in einem Land von Plateaus beiwohnt, und es damit für alle schlimmer macht.
Eine Entscheidung wird fällig, abhängig davon, von wo du kommst, und wohin du willst. Mit einem Produkt oder einer Innovation musst du es oder sie analysieren, verbessern, und neu machen: simpel, offen, und zugänglich für andere, und andere dazu einladen. In einem Nischenmarkt müssten Leistungen drum herum erbracht und Wertschöpfung hinzugefügt und ein Lebensstil angesprochen werden, anstelle eines Segmentes. Das muss für andere Nischen wiederholt werden und diese zusätzlich auf einer anderen Website vereint werden.
Und für beides gilt: Sich ständig neu erfinden, die Website, das Unternehmen. Du musst tun, was getan werden muss und die Ausrichtung ständig anpassen. Und wenn du schließlich in der Position bist geliefert zu haben, dann wird es Zeit, sich auf das nächste Ziel zu stürzen, bevor du wieder auf dem Plateau verharrst.
Die Entscheidung wird schmerzvolle Konsequenzen haben, und es wird nicht einfach sein. Nur ist dabei im Kopf zu halten, dass es nie eine Option sein kann, den Status quo aufrechtzuerhalten – denn dann passiert Folgendes: nicht immer den nächsten Schritt zu gehen und nicht immer das nächste Paradigma anzusteuern wird zwangsläufig zum Verderben führen. Vielleicht kannst du derzeit davon leben, nur gibt es da keine Sicherheit mehr.
Früher oder später, wenn du es nicht selbst tut, werden andere ihr Plateau verlassen und dich abhängen.
Notizen
- Es waren einfachere Zeiten, natürlich! ↩︎
- Im Nachhinein haben externe Investments, auch wenn sie mit dem entsprechenden Schritt helfen, das Problem dieser Websites einfach nur auf ein höheres Plateau gehoben – aber eben noch immer ein Plateau. ↩︎
Dieser Post ist Teil 2 von 5 in der Sammlung „Internet“.