Vielleicht liegt das Wesen von Kreativität in der Zeitspanne zwischen der Entstehung einer Idee und ihrer greifbaren Umsetzung. Inspiriert von Stephen R. Coveys bekannt gemachten Konzept der Pause zwischen Reiz und Reaktion, ist dieser Gedanke für mich daher eine spannende Perspektive auf den kreativen Prozess:

Was macht ein Werk – und damit: einen Menschen – kreativ? Ein entscheidender Faktor ist sicherlich die autobiografische Komponente, der persönliche Verarbeitungs- und Ausdrucksprozess.

Künstliche Intelligenz mag bereits in der Lage sein, auf Aufforderung Vorschläge und Ausarbeitungen zu liefern, doch gerade hier zeigt sich die „Kreativitätslücke“ zwischen Idee und Umsetzung, wenn dieser unmittelbar der Idee folgende Prozess nicht von einem persönlichen Ausdruck begleitet wird.

In Analogie zu Friedemann Schulz von Thuns Formel „Entwicklung = Konfrontation + Akzeptanz“ kann Kreativität vielleicht als Summe von Idee und Ausarbeitung verstanden werden; „Kreativität = Idee + Ausarbeitung“. KI-generierte „Kunst“ gleicht dagegen eher einer Google-Suche mit fiktiven Ergebnissen. Die dafür oft gepriesenen „Prompt Skills“ sind letztlich nichts anderes als fortgeschrittene Suchfähigkeiten.

Schließlich generieren KI-Modelle keine Bilder in Echtzeit, sondern greifen auf einen bereits vorhandenen Fundus im latenten Raum zurück. Das Prompting dient lediglich dazu, durch die Eingabe von Koordinaten in diesem großen Ozean zu „fischen“. KI-Modelle sind also eine Form extrem verlustbehafteter Kompression, die Bilddaten in Parameter und latente Raumbilder umwandelt.

Damit sind diese Bilder nicht mehr als Dinge, die es in gewisser Form schon gab, sans ihres ursprünglichen persönlichen Ausdrucks, nicht als Rekombination vor dem Hintergrund einer persönlichen Verarbeitung – und damit frei von Kreativität, und damit auch Authentizität, Einzigartigkeit und Intention.

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