KI und Wirtschaft
2024.09.16Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz wird gerne eine erhebliche Produktivitätssteigerung auf Aufgabenebene versprochen. Doch wie wirkt sich das auf gesamtwirtschaftlicher Ebene aus?
Nach Hultens Theorem lassen sich die Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt und die Gesamtproduktivität anhand des Anteils der betroffenen Aufgaben und der durchschnittlichen Kosteneinsparungen pro Aufgabe abschätzen. Auf der Grundlage der derzeitigen Schätzungen der KI-Exposition und der Produktivitätssteigerungen auf Aufgabenebene scheinen die makroökonomischen Auswirkungen spürbar, aber bescheiden zu sein – maximal 0,66 % Anstieg der totalen Faktorproduktivität (TFP) über 10 Jahre.
Allerdings könnten auch diese Schätzungen überhöht sein. Denn die bisherige Evidenz stammt überwiegend aus leicht erlernbaren Tätigkeiten. Zukünftige Effekte werden jedoch auch von schwer erlernbaren Aufgaben abhängen, bei denen viele kontextabhängige Faktoren die Entscheidungsfindung beeinflussen und keine objektiven Ergebnismaße für erfolgreiches Lernen zur Verfügung stehen. Die für die nächsten 10 Jahre prognostizierten TFP-Gewinne könnten daher noch bescheidener ausfallen.
Die Auswirkungen auf Löhne und Ungleichheit sind ebenfalls komplex. Selbst wenn KI die Produktivität gering qualifizierter Arbeitskräfte bei bestimmten Tätigkeiten erhöht (ohne dass für sie neue Tätigkeiten geschaffen werden), kann das die Ungleichheit eher erhöhen als verringern.
Empirisch betrachtet dürfte KI die Ungleichheit zwar weniger verstärken als frühere Automatisierungstechnologien, da ihre Auswirkungen gleichmäßiger über demografische Gruppen verteilt sind. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass KI die Ungleichheit der Arbeitseinkommen verringern wird. Stattdessen wird prognostiziert, dass KI die Kluft zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen vergrößern wird.
Darüber hinaus könnten einige der durch KI neu geschaffenen Arbeitsplätze einen negativen sozialen Wert haben (z. B. die Entwicklung von Algorithmen für Online-Manipulation). Das wirft die Frage auf, wie solche potenziell negativen Effekte in der gesamtwirtschaftlichen Bewertung berücksichtigt werden sollten.
Insgesamt ergibt sich ein differenziertes Bild: KI birgt zweifellos ein enormes Potenzial für Effizienzgewinne. Allerdings könnten die gesamtwirtschaftlichen Produktivitätseffekte geringer ausfallen als erhofft. Gleichzeitig drohen neue Formen der Ungleichheit und soziale Risiken. Um die Versprechen von KI einzulösen und Fehlentwicklungen zu vermeiden, bedarf es daher einer umsichtigen Gestaltung auf technologischer, ökonomischer und politischer Ebene.
Dieser Post ist Teil 23 von 26 in der Sammlung „Künstliche Intelligenz“.