Abstrakte Konzepte wie Gerechtigkeit, Mathematik oder Zeitreisen sind faszinierende Konstrukte des menschlichen Geistes. Doch woraus entstehen diese Ideen? Eine Studie hat untersucht, ob konkrete physische Erfahrungen die Grundlage für abstraktere mentale Repräsentationen bilden – am Beispiel von Raum und Zeit.

Menschen verwenden oft räumliche Metaphern, um über Zeit zu sprechen: Ein Urlaub kann „lang“ sein, ein Konzert „kurz“. Doch beschränkt sich diese Assoziation auf die Sprache oder beeinflusst sie auch unser Denken? In sechs psychophysischen Experimenten zeigte sich: Teilnehmer:innen konnten irrelevante räumliche Informationen nicht ausblenden, wenn sie Zeitspannen beurteilten – umgekehrt gelang das jedoch. Das Muster, das die Asymmetrie zwischen Raum und Zeit in sprachlichen Metaphern widerspiegelt, trat auch ohne sprachliche Stimuli oder Antworten auf.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die metaphorische Beziehung zwischen Raum und Zeit nicht nur in der Sprache existiert, sondern auch in unseren grundlegenden Vorstellungen von Entfernung und Dauer verankert ist. Möglicherweise basieren mentale Repräsentationen von Dingen, die wir weder sehen noch berühren können, teilweise auf Repräsentationen physischer Erfahrungen in Wahrnehmung und motorischer Handlung.

Diese Erkenntnisse werfen spannende Fragen auf: Wie stark prägen konkrete Erfahrungen unser Verständnis abstrakter Konzepte? Welche Rolle spielen metaphorische Verknüpfungen bei der Entwicklung unseres Denkens? Und wie flexibel sind diese mentalen Repräsentationen – können wir sie bewusst verändern oder erweitern?